„In der Endphase seiner Gymnasialzeit dürfte Kafka zum ersten Mal Wien gesehen haben. Daß es diese Reise überhaupt gab, wird lediglich durch eine Tagebuchnotiz belegt […]. Die wahrscheinlichste Vermutung ist, daß sein Lieblingsonkel Dr. Friedrich Löwy, Landarzt im mährischen Triesch (Třešť), der Wien besonders liebte und gern besuchte, seinen Neffen zu einer gemeinsamen Reise in die Metropole eingeladen hatte, auf der dieser einen Eindruck von den Wiener Hauptsehenswürdigkeiten erhalten haben dürfte […]. Es dürfte sich um einen Wochenendausflug während der Sommerferien gehandelt haben, die Kafka als Schüler und Student teilweise bei seinem Onkel zu verbringen pflegte. Daß die beiden tatsächlich gemeinsam reisten, belegt der Umstand, daß sie sich im August 1901 zusammen in Helgoland und Norderney aufhielten.“
Hartmut Binder: Kafkas Wien. Portrait einer schwierigen Beziehung, 2013